Und wenn sie mir erzählt, was ich mir von ihr habe erzählen lassen, wieder und wieder – Rauschen, ihre Stimme, Räuspern, mein hörbares Schweigen, das Einrasten der Stopptaste, das Rattern der Spulen, über die das Band läuft, vor und zurück – und wieder die Stimme der Mutter, und was sie mir erzählt: Ich glaube es ihr nicht. Ich glaube ihre Erzählungen aus der Heimat nicht, die Jahreszahlen, die Ortsnamen glaube ich ihr nicht, die Stammbäume, die sie mir zum Beweis in die Hand drückt, die Heirats- und Geburtsurkunden, die Reliquien der Groß- und Urgroßeltern, die Fotografien, aus denen Gesichter starren, die ich nicht kenne, die mir fremd sind und deren Fremdheit ich mir so lange bewusst mache, bis ich mir selbst fremd werde, wie ich da grinsend in der Einfahrt stehe und die Schneeschaufel in den Fäustlingen halte und die Einfahrt in tausend kalten Wintern nicht vom Schnee befreit haben werde, weil sich nichts mehr ändern wird, weil ich mir fremd und zum Kind in mir geworden bin, das ein eingefrorenes Grinsen im Gesicht trägt, immergleich, vor Gegenden, die ich schon längst vergessen habe, die ich vergeblich von der Hirnrinde zu kratzen versuche wie Eingebranntes vom Kochtopfboden: In Tirol, in der Einfahrt, vor der Fototapete, vor dem Kindergarten, vor dem Christbaum, am Bodensee, am Waldrand, den Wald vor lauter Bäumen übersehend; mit dem Rücken dazu … Öder Löwenzahn in der Schotterstraße. Rostende Ackermaschinen. Vogelnester in ausgeschlachteten Autokarossen. Ich lege einen Laubteppich aus alten Fotografien, eine Windböe entlaubt die Baumkronen, treibt Stöße eng beschrifteter Blätter zusammen. Ein Zittern geht durch den Waldboden, die Typenhebel der Schreibmaschine fressen sich durchs Unterholz, schlagen ins Mauerwerk leerstehender Häuser, machen entvölkerte Dörfer dem Erdboden gleich – Schlag um Schlag schreibe ich uns weg, streiche uns Satz für Satz aus dem Leben, und was ich schreibe, glaube ich nicht. Die Fotografien, die letzten Beweisstücke, bleiche ich im ätzenden Wasser der Fischteiche.