Seit sich das Kind in mir aus seiner selbstgewählten Unmündigkeit befreit hat, kommt mir auch die Fotografie wieder in den Sinn, die den Gleichaltrigen zeigt und ihn in eine Reihe mit dem Fleischhauer Kummerer und dem Totengräber von Tramin stellt, ihn zu einer weiteren Figur jener Schreckmomente macht, in denen ich jäh zu Bewusstsein komme – ein Auftauchen aus dem dunklen Wasser der Fischteiche, ein Schnappen nach beißend kalter Luft – und um mich blicke, als sähe ich zum ersten Mal nach langem Schlaf durch ein längst vergessenes, ein kindliches Augenpaar; ich sehe den Gleichaltrigen vor mir, wie er sich mit einem Strick die Hosen gürtet, was so viel heißt wie: Wir sind fernab der Zivilisation, fernab eines Elternhauses, dessen Regeln keine Gültigkeit mehr besitzen.
Mit schmatzenden Lauten sinken seine Füße in den Dreck, Gefieder von Fichtennadeln klebt an seinen Knöcheln, den dreckstarrenden, spindeldürren Beinen.
Der sich einen Strick um den Hosenbund wickelte und unterhalb der unbehaarten Bauchwölbung verknotete, der Kaugummi kaute und mit der Hand in der Hose spielte, der »Mädels« sagte und nicht wissen konnte, was Naziwörter sind, der fischte auch die sogenannte – von ihm so getaufte – Brunznelke aus dem Bach, einen alten Blumentopf, aus dessen löchrigem Plastikboden Wasser auf die Zeltlagerwiese schlug; »Brunznelke, Brunznelke« schreiend warf er die Trophäe ins Mädchenzelt hinein. – Noch am selben Abend rieb er sein steifes Glied, dünn und weiß, schmal wie ein Finger, an der Zeltstange, in die gespannte, beinah religiöse Stille hinein drückte ein Anderer auf den Auslöser der Polaroidkamera, gleich kommt’s Vögelchen.