Bevor du noch fragen musst: Nein, niemand muss eingesargt werden, damit ich zum Filzstift greife oder auf die mechanische Tastatur der Continental Schreibmaschine einhacke. Es genügt mir schon, wenn ich mir den »Mann von Tollund« rezitiere oder an den Xaver zurückdenke, mir den Xaver vors geistige Auge hole, wie er mit zitternden Fingern die Schublade des Wohnzimmerschranks durchwühlt, nach der Fotografie sucht. Mit stecknadelkopfgroßen Augen betrachten ihn auch die Porzellanfiguren, die verträumt unter niedergeschlagenen Wimpern hervor- und aus abgeblätterten Pupillen herausblickenden Schäferknaben und die rotbäckigen, pausbäckigen, rote und gelbe Äpfel in gerafften Schürzen sammelnden Mägdlein, die ich als Kind, wenn ich beim Xaver und der Tante zu Besuch war, aus der Vitrine nehmen und auf dem Tisch aufreihen durfte. Die gesuchte Fotografie – angeblich zeigt sie den Xaver und mich, das Kind, in der Hofeinfahrt stehend – findet sich nicht. Stattdessen bringt er aus dem Hausflur eine Plastiktüte, bis zum Rand gefüllt mit den Medikamenten der tablettensüchtigen Tante, die sich am Ende geweigert hatte, ins Krankenhaus zu gehen.
Wie ich dir das erzähle und du mit überkreuzten Beinen auf dem Bettzeug sitzt, ist er selbst schon längst in die Anstalt eingewiesen, weil ihn der Alkohol eingemacht hat. Was aus dem Hausrat wurde, aus den Tabletten, der Fotografie und den Porzellanfiguren, den Schäferknaben und Bernhardinerhunden und den rotbäckigen Mädchen, kann ich dir auch nicht sagen. Ausgewaschene und mit trübem Wasser gefüllte Einmachgläser stehen auf dem Fensterbrett, mit Draht umwickelte Blumenstängel baden ihre knochigen Beine, ihre knorpeligen Knie und Knöchel darin.