Unter Glockenläuten, geläutert, strömen sie in die Kirche, neugierig beäugt sie das ungehobelte Jesuskind unter Wimpern, in denen noch die Sägespäne kleben. Sie tauchen spitze Finger ins Weihwasserbecken und malen sich das Kreuzzeichen auf die Stirn, führen die Fingerkuppen zur Nase und atmen für einen Moment den zugleich beißenden und betörenden Geruch von Benzin ein.
Eine seltsame Stimmung überkommt die Anwesenden und löst sich nach und nach in Wohlgefallen auf, schon genügen den Ersten die Fingerkuppen nicht mehr, sie tauchen die ganze Hand ins Weihwasserbecken oder berühren im Vorbeigehen mit nassen Patschehänden die Zehen des Jesuskindes, nein, es ist nicht kitzelig, es bleibt stumm und presst die Lippen aufeinander, dennoch breitet sich, anfangs kaum hörbar, ein Kichern im Kirchenraum aus, schwillt zu einem lauthalsigen Lachen an, das von den Wänden widerhallt und im Kreuzgang echot; dem Jesuskind blättert die Farbe von den lackierten Zehennägeln, der Pfarrer, das schüttere Haar in wirren Strähnen und ein irres Funkeln in den Augen, taucht einen Rosshaarpinsel in einen Eimer Bondex Holzlasur und schreitet unter einer Litanei von Segnungen die aufgereihten Benzinkanister ab, den Pinsel wie einen Weihwassersprenger in die Luft stoßend. Man greift sich Kanister um Kanister und beginnt damit, das Kirchenmobiliar zu segnen, wie begossene Pudel stehen die heiligen Schnitzfiguren in ihren Mauernischen, ein öliger Film rinnt ihnen vom Haupt bis an die Füße, sammelt sich am Sockel in schillernden Pfützen. Erste Spritzer erreichen die Empore und ziehen dunkle Schlieren über die kassettierte Holzdecke. Ein Rinnsal klettert über die Stufen der Kirchentreppe nach unten und sammelt sich auf dem Trottoir, zeichnet ein mäanderndes Muster ins Pflaster, schwillt zu einem Bach an, der die Dorfstraße hinunterläuft und in den Holzweg hinein, zum Wiesental hinaus, wo das Kind in mir auf der gefrorenen Erde sitzt und mit einer Zündholzschachtel hantiert, den vor ihm im Gras aufgebahrten Heuschrecken Fürbittkerzen abbrennt, um die Totenruhe zu stören, den Gottesacker aufwühlen zu lassen von heuschreckenköpfigen Gestalten, die sich vor lauter Lachen die Bäuche halten und sich in ihren Gräbern hin und her werfen – sie, denen man für gewöhnlich mit einem Nelkenstrauß das zähneklappernde Maul stopft, soll keiner mehr totschweigen können. Eine Benzinlache bildet sich zu Füßen des Kindes in mir, das mit dem Feuer spielt und die Hymne der Zündholzfabrik summt, »Schwef’lhelzle, Schwef’lhelzle muss mer han, dass mer alle Agenblick a Feuer machen kann.«
Ich sitze in der Kirchenbank und blicke zum Heiland, den sie für den heutigen Tag schick gemacht haben – die Lumpen, die man hinterm Schuppen gefunden hatte, haben sie ihm um die magersüchtigen Hüften gewickelt und unter dem festen, geblähten Bäuchlein verknotet. Etwas stiehlt sich in seine Leichenbittermiene, er riecht Lunte, rümpft die Nase und verdreht die Augen, lässt seine Pupillen auf Grund laufen, versenkt sie im Schilf seiner Wimpern. Feuer frei, wenn ihr das Weiße in den Augen seht.