Tagebuch (16)

Man stelle sich vor: einen Menschen, über den lediglich gesagt werden kann, er sei dagewesen, irgendwo. Hinzufügen kann, er habe sich nie zu lange und nie zu kurz an einem Ort aufgehalten, sein Kommen und Gehen – nie zu früh, nie zu spät – sei von der gleichen Diskretion gewesen wie seine Anwesenheit, wie sein Reden und Zuhören, das sich nie gegen den Lauf der Unterhaltung gestellt habe.

Und dann stelle man sich vor: einen der seltenen Momente, in denen dieser Mensch dennoch zum Mittelpunkt des Gesprächs wird, in seiner Abwesenheit sichtbar gemacht wird, weil eine aufgegriffene und wie zufällig in den Raum gestellte Äußerung seinerseits länger als ihr zugedacht im Raum steht, sich als Eintrittspunkt in eine menschliche Tiefe oder Untiefe entpuppt und die Anwesenden feststellen, dass ihnen die Worte über ihn und somit die Ausrüstung, das Kartenmaterial für diese Reise fehlen; und ihnen nur die Aussage bleibt, er sei dagewesen, irgendwo.

Als diesen Unkartografierten habe ich mich lange Zeit gesehen. Jeder Satz, den ich ins Notizbuch eingetragen habe, ist eine unleserliche Wegbeschreibung, die in die Wildnis des Banalen führt.

Ich weiß nicht, ob das Zusammensein mit Magdeleine und Keltermann die Folge oder der Auslöser dafür ist, dass ich mit einem Mal ein Gespür für meine körperliche Präsenz entwickle – nicht so wie Keltermann, der sich auf die Treppenstufen vor einer Gaststätte stellt, über die Köpfe der übrigen Schaulustigen hinweg einen Umzug verfolgt und ihn dadurch zu seinem Umzug macht, zu einem Spektakel aus Blechinstrumenten, Trachten und geschmückten Rinderleibern, das ihm, dem Touristen, die Hauptrolle und den Dorfbewohnern die der Statisten zuweist; eher in der Art: ich stehe neben Magdeleine in der Menge, ein Hemd, das ich über Jahre in aller Selbstverständlichkeit getragen habe, sitzt mir schlecht auf dem Leib, ich suche nach einem Taschentuch, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen und mache mich dadurch zum Komparsen oder – im besten Fall, wenn ich auf eine der Stufen unter ihm treten und mit einer überflüssigen, ungerichteten Geste das Wort an ihn richten würde – zu einer Figur im Buch, das Keltermann niemals schreiben wird.

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